Sabine de Buhr arbeitet seit 2017 als städtebauliche Leiterin bei der IBA Hamburg GmbH an der Entwicklung nachhaltiger Stadtteile in Hamburg. Sie ist für die Qualität und Innovation der Planung in allen Phasen der Quartiersentwicklung verantwortlich, so auch für Oberbillwerder. Dort soll es nach ihrem Wunsch in diesem Jahr einen großen Schritt voran gehen.
Wo steht das Projekt Oberbillwerder knapp drei Jahre nach dem Beschluss des Masterplans?
Wir sind in der Planung ein gutes Stück weitergekommen. Der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan ist erfolgt, sämtliche Fachplaner und Fachplanerinnen sind gebunden, viele inhaltliche Themen sind im Rahmen von Gutachten erarbeitet worden und bilden damit die Grundlage für die Vertiefung der Planung. Wie in allen unseren Gebieten erfolgt die Planung auf zwei Ebenen. Die IBA Hamburg ist für alle Aspekte der Planung, Flächenherrichtung und Vermarktung zuständig. Die Erstellung der Bebauungspläne liegt aber als hoheitliche Aufgabe beim Bezirk Bergedorf. Hier ergeben sich Schnittstellen zwischen IBA Hamburg und der Behörde. Der Bezirk plant für dieses Jahr zwei wichtige Verfahrensschritte. So ist Ende März / Anfang April eine umfangreiche öffentliche Plandiskussion vorgesehen und im Spätsommer findet voraussichtlich die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (TÖB) statt.
Die inhaltliche Grundlage für den Bebauungsplan ist der Masterplan, der technisch und städtebaulich vertieft wird. Dies erfolgt im Rahmen von Funktionsplänen, die aufgrund der Größe des Projektgebietes in verschiedene Teilbereiche aufgeteilt wurden. Begonnen haben wir mit dem Funktionsplan 1 A, der das Bahnquartier, den Grünen Loop und die Übergänge zu den benachbarten Quartieren darstellt. Dieser wird Ende des Jahres fertiggestellt sein. In diesem Kontext arbeiten wir auch an dem Gestaltungsleitfaden, in dem u. a. die Regeln der Bebauung entwickelt werden, die später den roten Faden für die Umsetzung der städtebaulichen Qualität des Masterplans abbilden.
Welche besonderen Akzente sollen in diesem Jahr umgesetzt werden?
Grundsätzlich wollen wir alle Innovationen, die im Masterplan angelegt sind, beibehalten sowie in den vertiefenden Planungen weiterentwickeln und in Einklang mit den zuständigen Fachbehörden und der Bezirksverwaltung umsetzen. Hierzu zählen insbesondere das Mobilitätskonzept mit Schwerpunkt auf dem Fuß- und Radverkehr. Weitere Themen sind die Energieversorgung mit dem Ziel, einen klimaneutralen Stadtteil zu entwickeln, eine Ver- und Entsorgungsstrategie, die möglichst smart und einheitlich für den Stadtteil organisiert wird sowie der sparsame Umgang mit Flächen, indem diese für unterschiedlichen Nutzungen zur Verfügung stehen.
Ein besonderes Highlight für mich ist die konzeptionelle Weiterentwicklung der elf Mobility Hubs. Mich interessiert der neue Stadtbaustein mit seinen verschiedenen Funktionen für die Quartiersentwicklung. Durch die Konzentration des ruhenden Verkehrs in den Mobility Hubs eröffnen sich Chancen für die Gestaltung qualitativer Straßenräume. Dazu kommt die spannende Herausforderung für die Erdgeschosszonen. Diese sollen durch Nutzungen wie Einzelhandel, Gemeinbedarf und Mobilitätsangebote belebt werden. All das muss eines Tages funktionieren und sich wirtschaftlich auch rechnen. Und nicht zu vergessen ist der Hochbau an sich, der anspruchsvoll, flexibel und gestalterisch hochwertig aussehen muss. Der Bund unterstützt die Grundlagenarbeit mit Forschungsgeldern, sodass wir genügend Geld und Zeit haben, eine ordentliche Strategie zu erarbeiten. Ende April führen wir zu dem Thema eine Fachtagung durch, bei der nationale Expertinnen und Experten ihr Knowhow einbringen werden. Mobility Hubs sind deutschlandweit in vielen großen Neubauquartieren geplant.
Die Mobility Hubs sind ja Bestandteil des Mobilitätskonzepts für Oberbillwerder. Wie ist hier der Planungsstand?
Das Mobilitätskonzept ist weit vorangeschritten. Die Umsetzung der innovativen Ansätze wird von uns noch einmal durch die Fachplaner geprüft. Passen die erforderlichen Flächen, wie sehen die unterschiedlichen Straßenquerschnitte aus, erfüllen sie ihre Funktion und wie wirken sie stadträumlich zusammen, wie und wo kann das Parken für Menschen mit Behinderung organisiert werden? Das vielfältige Angebot fördert die Möglichkeit, auf das eigene Auto zu verzichten, gleichzeitig konkurrieren somit aber auch immer mehr Verkehrsteilnehmer um die gleichbleibenden Flächen im Stadtraum. Hier gilt es gerechte Lösungen zu schaffen, damit künftig möglichst viele Bewohnerinnen und Bewohner beim Einzug direkt aufs Fahrrad, Bahn oder Bus umsteigen.
Stadtentwicklung ist ein dynamischer Prozess. Was sind die Herausforderungen in der Umsetzung?
Eine lange Entwicklungszeit ist gut, denn sie spiegelt einen Wachstumsprozess wider, der nicht am Reißbrett organisiert und abgearbeitet wird, sondern geprägt ist durch demokratische Verhandlungsstrategien, beginnend bei der Planung bis hin zur kleinteiligen Grundstücksvergabe an eine vielfältige Bauherrenschaft. Dynamische Anpassungen sind möglich. Gleichzeitig beinhaltet dieser Entwicklungshorizont aber auch große Herausforderungen für die Steuerung des Prozesses.
Es gibt innere und äußere Gelingensbedingungen, um die Planung von großen Quartieren qualitativ gut umsetzen zu können. Zu den äußeren Rahmenbedingungen gehören u. a., dass die in der Verantwortung stehenden Planenden die Unterstützung durch die zuständigen Verwaltungsstrukturen erhalten, um innovative Ansätze und bauliche Qualitäten umsetzen zu können. Zu den inneren Rahmenbedingungen gehören u. a. Qualifizierungsprozesse, die sicherstellen, dass die Grundstücke erst dann veräußert werden, wenn der prämierte Entwurf per Baugenehmigung gesichert ist und dieser darüber hinaus, bis zur Ausführung begleitet und abgeglichen wird.
Welche Aufgaben für Oberbillwerder stehen denn bei der IBA Hamburg in 2021 an?
Es werden weitere Themen städtebaulich und fachplanerisch vertieft und die ersten Qualifizierungsverfahren im Freiraum gehen an den Start. Die Planungen zum Schwimmbad müssen konkretisiert werden, die Markthalle am Eingangsbereich muss konzipiert werden, die Planungen zur HAW Hamburg müssen verifiziert werden und das Konzept für die Energieversorgung muss optimal ausgestaltet werden, weil wir Oberbillwerder zu einem der nachhaltigsten Quartiere Deutschlands entwickeln wollen, in dem das Ziel „Zero Emission“ ganz weit oben steht.