Seit 2008 leitet Angela Hansen die Agentur für Baugemeinschaften der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW). Auch privat steht sie voll hinter der Idee dieser Form des Zusammenlebens und freut sich jetzt auf die vielen anstehenden Projekte in Wilhelmsburg.
Angela Hansen ist auf einem kleinen Bauernhof an der Ostsee aufgewachsen. Dort war sie in „ihrem erstem Leben“ Erzieherin, wie die heutige Leiterin der Agentur für Baugemeinschaften sagt. Später zog es sie zum Architekturstudium nach Hamburg. Als diplomierte Hochbauingenieurin fing Angela Hansen 1988 bei der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen an zu arbeiten. Parallel dazu absolvierte sie noch ein Studium für Stadtplanung und Städtebau.
Seit nunmehr 13 Jahren steuert Angela Hansen die Verfahren für Baugemeinschaften in Hamburg als Referatsleiterin im Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung. Sie und ihre Mitarbeiter:innen kümmern sich zusätzlich zu den Baugemeinschaftsaufgaben u. a. auch um Beteiligungen an B-Planverfahren, Konzeptausschreibungsverfahren und nehmen Stellung zu den Wohnungsbauentwicklungsplänen der Bezirke.
Auf den Start des Interessenbekundungsverfahrens in den Wilhelmsburger Quartieren der IBA Hamburg ist sie schon sehr gespannt.
Was halten Sie von Wilhelmsburg als Standort für Baugemeinschaften?
Auf der Elbinsel ist doch richtig Musik drin! In den neuen Quartieren der IBA Hamburg herrscht ein gewisser Pioniergeist wie vormals in der Schanze oder in Ottensen. Noch sind hier die Grundstückpreise moderater als nördlich der Elbe, dennoch ist Wilhelmsburg zentrumsnah und gleichzeitig grün. Dazu kommt, dass der Stadtteil total lebendig ist und damit das Interesse besonders bei jungen Leuten weckt. Viele der bisherigen Interessenten kommen auch von außerhalb. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sich hier zur Zeit der Internationalen Bauausstellung 2006-2013 schon ein paar Baugemeinschaften angesiedelt hatten. Das wird sich wohl positiv herumgesprochen haben.
Was fasziniert Sie an Baugemeinschaften?
Ich finde die Idee des Zusammenlebens in einer weitestgehend selbstbestimmten Form ganz hervorragend. Es bildet sich oft so etwas wie ein Familienersatz. So ein privates Netzwerk ist den meisten sehr wichtig, denn es bietet nachbarschaftliche Unterstützung etwa bei Einkäufen, Handwerksarbeiten oder der Kinderbetreuung. Großartig für eine Baugemeinschaft ist es auch, wenn man ein gemeinsames Schwerpunktthema hat, wie ein ökologisches Energiekonzept oder die soziale Inklusion im gemeinschaftlichen Leben.
Viele Menschen wollen heutzutage in ihrem kleinen Kiez mit Gleichgesinnten wohnen. Baugemeinschaften sind daher die ideale Verbindung von Großstadtflair und dörflichem Leben - ein guter Kompromiss.
Ich selbst lebe seit 35 Jahren in einer Wohngemeinschaft in Hamburg. Dort habe ich viele Kinder groß werden sehen. Auch wenn die irgendwann ihrer eigenen Wege gehen, halten die Kontakte bis heute. Wir feiern mit manchen „Ehemaligen“ immer gemeinsam Weihnachten.
Warum brauchen Baugemeinschaften denn überhaupt Hilfe von Ihrer Agentur?
Zuerst einmal: Bei den aktuellen Projekten im Wilhelmsburger Rathausviertel und dem Elbinselquartier liegt die Federführung bei der IBA Hamburg. Hier bringen wir unsere langjährige Expertise ein und begleiten die Verfahren.
Hier wie bei allen anderen Hamburger Projekten für Baugemeinschaften bietet unsere Agentur zwar kein Rundumsorglospaket, aber ein breites Spektrum an Unterstützung und guten Möglichkeiten auf dem langen Weg zum neuen Zuhause. Dafür sind wir in Hamburg die zentrale Anlaufstelle.
Früher gab es in der Stadt nur lokale Listen über verfügbare Grundstücke für Baugemeinschaften. Wer citynah bauen wollte, bekam vielleicht ein Angebot am Stadtrand. Das war wenig befriedigend. Mit der Gründung der Agentur im Jahr 2003 wurde dann ein faires Verfahren entwickelt. Vom Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) werden uns seitdem städtische Grundstücke übertragen. Die Agentur vermarktet diese und stimmt die Verfahren mit den beteiligten Institutionen ab.
Bei uns registrieren sich die Baugruppen und geben Interessentenbögen ab. Danach bieten wir eine Erstberatung mit vielen Infos über alle erforderlichen Schritte an. Die ersten Fragen der Interessenten sind fast immer: Wo ist das Grundstück und wann kann ich anfangen zu bauen? Das ist allerdings nicht ganz so leicht. Die Flächenkontingente sind begrenzt, nicht immer stehen Grundstücke im Wunschquartier zur Verfügung. Und es gibt auch Konkurrenz unter den Baugemeinschaften.
Im zweiten Schritt achten wir auf das inhaltliche Konzept der Bewerber:innen und die Finanzierbarkeit des Projekts. Wichtig: Hamburg bietet ein eigenes Förderprogramm über die Investitions- und Förderbank (IFB) mit einem Schwerpunkt auf genossenschaftlichen Wohnformen an.
Was sind die Fallstricke einer Baugemeinschaft? Was sollte man unbedingt beachten?
Es kostet Geld, ein Haus zu bauen, auch bei einem gemeinschaftlichen Bauprojekt. Diesen Grundsatz vermitteln wir bereits in der Erstberatung. Dann sollten die Ansprüche, die man an eine Baugemeinschaft stellt, einen Mehrwert für das Projekt selbst und auch das Quartier mitbringen, das zeichnet diese Wohnform ja aus. Die Baugruppe sollte sich dabei aber nicht überfordern. Sie muss die Umsetzung ihrer Ideen auch zeitlich leisten können - tägliche Yogakurse und jedes Wochenende eine gemeinschaftliche Fahrradtour sind auf Dauer eher unrealistisch.
In der Planungs- und Bauphase ist der gute Umgang untereinander wichtig. Hier gilt es, sich nicht zu streiten oder zu verzetteln. Am besten werden gleich Arbeitsgruppen gebildet, um nicht mit allen über jede Kleinigkeit diskutieren zu müssen. Es muss aber auch einfach mal Raum für Frust geben können. Für die fachliche und zugleich moderierende Begleitung stehen der Baugemeinschaft erfahrene Baubetreuer:innen und auch Architekt:innen zur Seite.
Was ist denn eine besonders schöne Erinnerung an eine von Ihnen betreute Baugemeinschaft?
Ich erinnere mich sehr gerne an die Baugemeinschaft „Stadt.Land.Fluss“ in Ochsenwerder. Die erwarb damals ein städtisches Grundstück mit einem Bestandsgebäude, einem traditionsreichen Gasthof. Einige ansässige Dorfbewohner waren misstrauisch und wehrten sich gegen die Umsetzung des Projektes sowie den Verlust ihres Gasthofes.
Nach langen Diskussionen mit der Bezirkspolitik konnte das Projekt dennoch realisiert werden mit dem Kompromiss, dass eine Teilfläche des großen Saals der Öffentlichkeit erhalten bleibt.
Und siehe da: Jetzt wird ein Raum mit Tresen und Bühne nicht nur von der Baugenossenschaft als Gemeinschaftsraum genutzt, sondern auch als gesellige Dorfkneipe. Die Baugemeinschaft organisiert dort bunte Veranstaltungen und Flohmärkte. Dazu werden etwa 40 Haushalte in und um Ochsenwerder von der hauseigenen „Food Coop“ versorgt. Eine schöne Erfolgsgeschichte!
Online finden Sie Die Agentur für Baugemeinschaften und ihre Angebote hier.
Sie wollen sich ganz allgemein zum Thema und den Möglichkeiten in Wilhelmsburg informieren? Dann schauen Sie hier vorbei.