Unter der Alttrasse der Wilhelmsburger Reichsstraße liegen noch
Blindgänger und Munition aus dem Zweiten Weltkrieg. Für die IBA Hamburg ist daher die Kampfmittelräumung Nord GmbH unter der Aufsicht von Patrick Bahl seit Mai 2022 vor Ort.
Patrick Bahls vollständige Berufsbezeichnung lautet: Fachtechnische Aufsichtsperson nach § 20 SprengG bei der Kampfmittelräumung Nord GmbH. Bereits kurz nach Beginn des Rückbaus der Wilhelmsburger Reichsstraße im Jahr 2019 werden die Flächen auf Kampfmittel wie Bomben und Munition aus dem Zweiten Weltkrieg untersucht. Patrick Bahl stieg 2022 auf der alten Trasse ein und wurde diverse Male fündig.
Wie kamen Sie zu Ihrem heutigen Beruf?
Ich komme aus Wittenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Dort war ich als Chemielaborant tätig. Vor vier Jahren war mein Schwager hier auf der Wilhelmsburger Reichsstraße noch der verantwortliche Feuerwerker als er mich fragte, ob ich Lust auf Veränderungen hätte. Da stieg ich spontan bei seiner privaten Firma, der Kampfmittelräumung Nord GmbH aus Henstedt-Ulzburg, ein. Angefangen habe ich zuerst als Munitionsräumarbeiter. Daran schloss sich mein Einführungslehrgang zur Kampfmittelbergung in Dresden an. Das ist wichtig, um erste Erfahrungen zu sammeln. Erst nach einem Jahr geht es zum Sondierlehrgang. Insgesamt zwei Jahre begleitete ich dann den Feuerwerker auf diversen Einsätzen in Norddeutschland und unterstützte ihn als Sondierer. Die Ausbildung zum Feuerwerker dauerte neun Wochen. Seit 2022 habe ich hier in Wilhelmsburg meinen ersten Einsatz als verantwortlicher Feuerwerker.
Welche Flächen müssen denn in Hamburg sondiert werden?
Jedes Bundesland hat da andere Vorschriften: In Hamburg muss sich eine Baufirma bei allen Erdeingriffen zunächst eine Kampfmittelauskunft einholen. Ob das schlichte Umsetzen einer Laterne oder die Großbaustelle wie hier in Wilhelmsburg, da wird kein Unterschied gemacht. Die Regeln gelten auch für Privatgrundstücke. Für alle Gebiete liegt ein detailliertes Kampfmittelbelastungskataster mit roten und grünen Bereichen vor, welches kontinuierlich aktualisiert wird. Auf dem Streckenverlauf der Wilhelmsburger Reichsstraße gibt es einige rote Bereiche, sogenannte Flächen mit allgemeinem Bombenblindgängerverdacht, sowie mehrere ausgewiesene Bombenblindgängerverdachtspunkte. Die IBA Hamburg hat dieses Projekt für eine tiefenunabhängige Freigabe ausgeschrieben.
Wie gehen Sie auf der alten Wilhelmsburger Reichsstraße vor?
Auf der Trasse ist die Kampfmittelräumung Nord GmbH seit 2019 vertreten. Das Referat Gefahrenerkundung Kampfmittelverdacht führt zunächst eine Luftbildauswertung für die betroffenen Bereiche durch. Die darauf sichtbaren Einschlaglöcher bzw. Bombentrichter werden als Verdachtspunkte festgelegt. Aufgrund der massiven Bombardierung sind große Teile der Trasse als Bombenblindgängerverdachtsfläche eingestuft worden. Gemäß länderspezifischer Vorgaben wird ein entsprechendes Bohrraster für die zu untersuchenden Flächen angelegt. Unter maschinellem Einsatz kommt ein überdimensionaler Bohrer zum Einsatz. Jedes Bohrloch wird mit PVC-Rohren bestückt, in denen dann unsere Sondiertechnik zum Gebrauch kommt. Anhand der gewonnenen Daten können wir eine detaillierte Auswertung auf mögliche Blindgänger machen. Ergibt die Auswertung ein öffnungswürdiges Objekt, wird es freigelegt und identifiziert.
Was haben Sie denn bisher hier gefunden?
Manchmal findet man lediglich zivilen Metallschrott. In Wilhelmsburg haben wir bereits drei große Blindgänger mit 1000 lbs (rund 500 kg) gefunden. Je nach Untergrund bohren wir hier sechs bis acht Meter tief. Gibt es einen Verdacht in der Bohrlochauswertung, werden zu den geplanten Bohrungen noch weitere Zusatzbohrungen gemacht, um die Bombe so exakt wie möglich in Lage und Höhe zu lokalisieren. Erst dann wird der Oberboden abgetragen. Bei Arbeiten im Nahbereich von Verdachtsobjekten sind Aufgrabungen nur manuell und mit handgeführten Werkzeugen auszuführen. Wenn das Verdachtsobjekt komplett freigelegt ist, wird über das weitere Vorgehen entschieden. Bei positivem Kampfmittelfund verständigen wir umgehend die Polizei und informieren über die Klassifizierung und ob noch Gefahr von dem Fundstück ausgeht sowie die genaue Lage der Räumstelle. Spätestens nach fünf Minuten ist die Polizei da. Später kommen Feuerwehr und der Kampfmittelräumdienst dazu. Der legt dann einen Evakuierungsumkreis fest und entscheidet über eine mögliche Entschärfung oder Sprengung vor Ort.
Was war denn Ihr aufregendstes Erlebnis?
Das war hier auf der alten Wilhelmsburger Reichsstraße und ist noch gar nicht so lange her. Der Fund unserer ersten 1000 lbs Bombe war relativ unspektakulär. Alles ging ziemlich schnell vonstatten. Wir fanden unsere zweite 1000 lbs Bombe amerikanischer Herkunft und bei den ersten Anzeichen mit der Sonde oder später beim Freilegen mit der Schaufel schlug mir das Herz schon ein wenig höher. Danach zu Hause wurde es dann schlimmer, als ich über den kapitalen Fund nachdachte. Da habe ich schon ein paar Nächte etwas schlechter geschlafen. Auch unser letzter Fund von gestern, 5. Juli, brachte wieder eine 1000 lbs Bombe amerikanischer Herkunft zum Vorschein.